Eine Carnegie-Studie zur Zukunft der deutsch-amerikanischen Beziehungen
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Amerikanische Außenpolitik war stets, ungeachtet aller taktisch-pragmatischen Beweglichkeit, von bemerkenswerter ideologischer Stabilität. Seit den frühen 40er Jahren ist sie charakterisiert durch die außenwirtschaftspolitische Doktrin des „liberalen Internationalismus", die auf Woodrow Wilson zurückgeht und die den Willen zur stetigen Ausweitung eines multilateral integrierten internationalen Wirtschaftsraums über möglichst große Teile der Welt zur obersten weltanschaulichen Maxime hat. Wilson sagte dazu, er wolle die Welt „safe for democracy" machen. „Democracy" bedeutete für ihn die Freizügigkeit von Kapital, den möglichst ungehinderten Verkehr von Waren und eine politische Kultur „verantwortungsbewußter" Machtausübung - in dieser Rangfolge der Wichtigkeit. Dieses universalistische Ziel, dem zuliebe Wilson auch bereit war, kurzfristige nationale Interessen und Eitelkeiten zu opfern, woran er in seinem Land nach dem Ersten Weltkrieg zunächst scheiterte, sollte nach dem Zweiten Weltkrieg in enger Gemeinschaft mit den bereits entwickelten Ökonomien Westeuropas verwirklicht werden. Ihnen wurde das Angebot einer engen militärischen Sicherheitspartnerschaft gemacht, mit deren Hilfe die politische und militärische Bedrohung des sowjetischen Gegenentwurfs in Europa „eingedämmt" werden sollte.