Ausgabe März 1995

Nachts sind alle Katzen grau

Zur Kritik an Eugenio Scalfaris Selbstmord des Bürgertums

Zur Kritik an Eugenio Scalfaris "Selbstmord des Bürgertums"

Von Susanna Böhme-Kuby Der Liberaldemokrat Scalfari *) beklagt zu Recht die Dekadenz der politischen Kultur in Italien und liefert dazu mit seinem Beitrag ein Beispiel: die Unschärfe und Beliebigkeit der von ihm verwendeten Begriffe lassen ein entsprechend verzerrtes Bild der italienischen Verhältnisse entstehen. Da sei, schreibt er, ein "spurloses Verschwinden des Bürgertums als allgemeine Klasse" in Italien festzustellen, eine "ständische Gesellschaft" entstanden, beherrscht von einer "neuen Klasse" von Berufspolitikern und den "Mandarinen" der Gewerkschaften. Vom einst liberalen Bürgertum sei nur eine "business community" geblieben, beschrieben als die "middle class", der "neue Mythos und König der postindustriellen Gesellschaften". Selbst die "mythische Arbeiterklasse von Marx" habe sich in ihr aufgelöst: "Alles vermischt sich in einem riesigen Tiegel. (...) Das ist die "middle class." Anders gesagt, nachts sind alle Katzen grau. Diese "middle class", von Scalfari auch "produktives und handeltreibendes Kleinbürgertum" genannt, sieht er in Italien als "relativ neue Kraft" an abgesetzt von der Angestellten- und Beamtenschicht des Südens, die man bisher als "Kleinbürgertum" bezeichnet hatte. Diese habe zwar keine "hegemoniale Rolle" gespielt, als einstige Klientel der DC aber doch ein bestimmendes Gewicht gehabt.

März 1995

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