"Warum so wenig über den Widerstand bekannt ist? Weil er gescheitert ist, weil das deutsche Volk nicht einmal den Versuch unternommen hat, Hitler zu beseitigen." Der das meint, Heinrich Graf von Einsiedel, hatte 1943 mit seinen Kampfgefährten vom "Nationalkomitee Freies Deutschland" (NKFD) vergeblich von Rußland aus zur Erhebung aufgerufen. Das bündige Urteil des Grafen geäußert auf einer Tagung mit dem Titel "Was aus Deutschland werden sollte: Konzepte des Widerstands, des Exils und der Alliierten" Ende Januar in Marburg - imitiert. War tatsächlich das Scheitern der Grund für Vergessen und Verdrängen des Widerstands? Den "Männern des 20. Juli 1944" jedenfalls hat der gescheiterte Versuch des Umsturzes gereicht, um in die offizielle Geschichtsschreibung der Bundesrepublik aufgenommen zu werden und gar der Identitätsstiftung zu dienen - während die Mitglieder des NKFD weiter als Verräter diffamiert werden und mehrere Zehntausend vom NS-Regime verurteilte Wehrmachtsdeserteure und "Wehrkraftzersetzer" (bzw. ihre Angehörigen) auf die Rehabilitierung warten. Reinhard Kühnl beschrieb im Eröffnungsreferat grundsätzliche "Schwierigkeiten, die Wahrheit über den Widerstand zu ermitteln".
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.