Italien hat in den letzten Jahren enorme, teilweise spektakuläre Veränderungen durchgemacht. Weist dieser Wandel in seiner Bedeutung über das Land hinaus? Kann man von einem "Labor Italien" sprechen, in dem vieles zusammengekocht und ausprobiert wird, und von dessen neu erfundenen Produkten das eine oder andere auch exportierbar wäre? In seinem Buch "L'ivresse démocratique" (Paris 1995) schreibt Alain Minc: "Es gibt rudimentäre Meinungsdemokratien; sie sind dem geringsten populistischen Schub ausgeliefert und stolpern von kollektiver Gefühlswallung zu kollektiver Gefühlswallung.
In Lateinamerika waren sie schon lange vorgebildet, und eigenartigerweise erhebt der Peronismus sich erneut wie Phönix aus der Asche; vor Ort, aber auch in Kontinentaleuropa, Ost wie West. Was stellen die Berlusconis denn anderes dar, als einen medialen Peronismus, in dem die Medien die einst dem Militär vorbehaltene Rolle spielen?" Diese Sicht eines Franzosen von den Verhältnissen seiner Nachbarn "südlich der Alpen" wirkt suggestiv und einleuchtend, entspricht jedoch nicht ganz den Tatsachen. Im "bel paese" Italien ist es ein Fehler, den Schein mit der Substanz, die Form mit dem Inhalt, die "kollektiven Gefühlswallungen" mit der dahinterstehenden politischen Absicht zu verwechseln.