Ausgabe August 1996

Die Waffe des Verteidigers

Vielleicht ist es ein wenig taktlos, die Rede zu Ehren eines langjährigen und überzeugten Anwalts von Kriegsdienstverweigern ausgerechnet über eine Waffe zu halten; aber Heinrich Hannover war niemals ein Totalverweigerer. Im Gegenteil, die Waffe des Wortes hat er nie verschmäht, ja, sie war und ist die einzige Macht, die er mit Bravour ausgeübt und mit der er seine Gegner unter Druck gesetzt hat. Wahrhaftig, im Beruf des Anwalts hat das berühmte Habermassche Wort von dem zwanglosen Zwang des Arguments seine Wahrheit, und hier hat die Ausübung von Macht ihre Unschuld noch nicht verloren: Hier darf man den anderen geradezu mit Lust die eigene Macht spüren lassen und seine Überlegenheit genießen, mit Geschick und Witz repressiv und präventiv, je nachdem, was die Lage gebietet und die Gelegenheit verspricht, nicht gewalttätig, aber doch gewalt-wortig werden, und wenn auch nicht gleich Schwerter zu Pflugscharen, so doch das Kriegshandwerk in ein Kriegsmundwerk verwandeln. Man könnte, wenn man kann.

Denn nicht jeder kann es, ja, nur ganz wenige können es, und Heinrich Hannover ist einer von ihnen. Freilich, er hat sich einen Beruf gewählt, in dem diese Fähigkeit ganz unverzichtbar erscheint.

August 1996

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat