Ausgabe Januar 1996

Ungleiche Nachbarn an der Oder

Perspektiven der deutsch-polnischen Grenzregionen

Wenn der Bürgermeister der polnischen Grenzstadt Slubice, Ryszard Bodziacki, seinem Amtskollegen Wolfgang Pohl im benachbarten Frankfurt/Oder einen Besuch abstattet, achtet er darauf, 50 DM im Portemonnaie zu haben. So hoch ist der "Eintrittspreis für Deutschland". 1) 50 DM sind die Mindestsumme, ab der deutsche Grenzbeamte davon ausgehen, daß Einreisende aus Polen ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik selbst finanzieren können. Wenn der polnische Reisende mehrere Tage in Deutschland oder Ländern der Europäischen Union bleiben möchte, kann laut Ausländergesetz eine noch höhere Summe gefordert werden. So sieht der seit dem 8. April 1991 offiziell visafreie Reiseverkehr zwischen beiden Ländern für die Polen aus. 2)

Sicher steht der deutsche "Eintrittspreis" im Widerspruch zu den erklärten Absichten beider Seiten, der "partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Regionen, Städten, Gemeinden, insbesondere im grenznahen Bereich ... hohe Bedeutung" beimessen zu wollen, wie es z.B. im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag 3) vom 17. Juni 1991 formuliert worden war. Er symbolisiert die Kluft zwischen Anspruch und Realität und ist insofern Ausdruck für drei Faktoren, die den unmittelbaren Umgang von Deutschen und Polen in der Grenzregion erschweren: 1.

Sie haben etwa 3% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 97% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema