Ausgabe Mai 1996

SPD: Zwischen Mallorca und Toscana

Bei den Landtagswahlen in den drei Bindestrich-Ländern am 24. März 1996 gab es drei Überraschungen. Die FDP hat sich gegen fast alle Medienprognosen bekrabbelt und ist wieder drin - doppelt drin: in den Landtagen und mindestens in zwei Regierungen. Die Rechtsradikalen haben sich ohne alle Medienaufmerksamkeit in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz zwischen vier und fünf Prozent behauptet und in Baden-Württemberg sogar mit über neun Prozent triumphiert. Dies gibt gerade in so "normalen" Zeiten ohne Radikalismus-Debatte zu denken. Und die SPD hat in allen drei Ländern so kräftig eins auf die Mütze gekriegt, daß ihr der Schädel brummt.

Ob dieser Schlag auf den Hinterkopf zum Denken anregt, wie die ältere Brachialpädagogik empfahl, oder ob damit das Haupt weichgeklopft wird, muß sich zeigen. Die Verluste der SPD sind mühelos von den realen fünf bis sechs auf über zehn Prozent hochzuinterpolieren, wenn man bedenkt, daß es sich nach allen Wahltheorien um Neben- oder Zwischenwahlen handelte. Bei diesen pflegt die jeweilige Bundestagsopposition regelmäßig den Bonner Regierungsparteien eine beträchtliche Zahl an Sitzen abzujagen, die diese dann mühselig bei allgemeinen Wahlen, wenn's ums Ganze geht, wieder einsammeln muß.

Mai 1996

Sie haben etwa 14% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 86% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Parteien

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.