2.2. - N A T O. Nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Jelzin erklärt der französische Präsident Chirac in Moskau vor der Presse, er halte es für möglich, daß man sich mit Rußland bis zum NATO-Gipfel im Juli d. J. in Madrid über die umstrittene Osterweiterung der Nordatlantischen Allianz verständigen könne. Die russische Position sei unverändert, wonach das künftige Verhältnis zur NATO in einem juristisch bindenden Vertrag fixiert sein müsse. - Am 5.2. heißt es in Paris, Chirac habe im Gespräch mit Jelzin einen Fünf-Mächte-Gipfel in der französischen Hauptstadt angeregt, an dem neben Frankreich die USA, Großbritannien, Deutschland und Rußland teilnehmen sollten, um die Leitlinien für ein Abkommen mit Rußland auszuarbeiten. Die Gipfelpläne seien zuvor mit Bundeskanzler Kohl abgestimmt worden. - Am 12.2. kritisiert die russische Führung eine Reise von NATOGeneralsekretär Solana in die ehemaligen baltischen Sowjetrepubliken. Ein Sprecher Präsident Jelzins wirft Solana vor, er wolle die Interessen Moskaus in dieser Region unterlaufen. - Am 14.2. wird im slowakischen Parlament in Bratislava eine Volksbefragung über eine mögliche NATO-Mitgliedschaft des Landes beschlossen. Für eine solche Befragung innerhalb der nächsten drei Monate stimmen 87 Abgeordnete bei 37 Gegenstimmen und 15 Enthaltungen. - Am 18.2. wird auf einer Sitzung des NATO-Rates in Brüssel der Vorschlag zur Bildung einer gemeinsamen Brigade mit Rußland diskutiert. An der Zusammenkunft nimmt auch die neue amerikanische Außenministerin Albright teil, die zuvor Rom, Bonn und Paris besucht hatte und die anschließend nach Moskau weiterreist. - Am 19.2. erklärt ein namentlich nicht genannter NATO-Sprecher in Brüssel, der Wunsch Rußlands nach einer Regelung der gegenseitigen Beziehungen in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag sei für die Allianz unannehmbar. Rußland könne lediglich eine "Charta" angeboten werden. - Am 21.2. setzt sich Chirac in einer Rede vor beiden Kammern des rumänischen Parlaments für die baldige Aufnahme Rumäniens in die NATO ein: "Ich wünsche mir, daß dies 1999 möglich sein wird und ich bekräftige das hier in Bukarest, so wie ich es in Washington, in London und in Bonn getan habe. Gemeinsam müsse man jedoch verhindern, "daß neue Bruchstellen auf dem europäischen Kontinent entstehen". Im Hinblick auf Grenzfragen und Minderheitenrechte sei "ein Schlichtungssystem für die Streitigkeiten aus der Vergangenheit erforderlich". - S c h w e d e n. Die regierenden Sozialdemokraten fassen den Beschluß, noch vor den Parlamentswahlen im Herbst 1998 mit dem Ausstieg aus der Nuklearenergie zu beginnen und das erste von den insgesamt zwölf schwedischen Kernkraftwerken stillzulegen. Eine entsprechende Vereinbarung wird mit der Zentrumspartei und der Linkspartei getroffen. 4.2. - J u g o s l a w i e n. Der serbische Präsident Milosevic erklärt sich überraschend bereit, die Wahlerfolge der Opposition in Belgrad und 13 weiteren Städten bei den Kommunalwahlen vom 17. November v.J. anzuerkennen (vgl. "Blätter", 2/1997, S. 136). Milosevic schreibt in einem Brief an Ministerpräsident Marjanovic, die Verbesserung der Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft habe Vorrang vor der Sitzverteilung in Stadtparlamenten. - Am 14.2. stellt ein Schiedsgericht die nordbosnische Stadt Brcko für ein Jahr unter internationale Aufsicht. Mit diesem in Rom gefaßten Beschluß bleibt die Stadt vorläufig unter serbischer Kontrolle, die Entscheidung über den endgültigen Status wird bis März 1998 vertagt. - Am 21.2. wird Zoran Djindjic, einer der Vorsitzenden des Oppositionsbündnis "Zajedno", vom Stadtrat zum Bürgermeister von Belgrad gewählt. - B u l g a r i e n. Die regierenden Sozialisten stimmen vorzeitigen Neuwahlen zu (vgl. "Blätter". 2/1997, S. 138), Präsident Stojanow (zur Wahl vgl. "Blätter", 1/1997, S. 4) setzt am 12.2. ein Übergangskabinett ein; als Wahltermin wird der 19. April d.J. bestimmt. 6.2. - O S Z E. Der dänische Außenminister Petersen ernennt in seiner Eigenschaft als Ratsvorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Niederländer van der Stoel zum Sonderbeauftragten der Organisation für die frühere autonome Provinz Kosovo (Jugoslawien); van der Stoel ist gleichzeitig OSZE-Hochkommissar für Nationale Minderheiten. Kritik kommt vom albanischen Außenministerium. In einer Stellungnahme aus Tirana heißt es, die OSZE beschränke mit dieser Personalentscheidung das Kosovo-Problem auf eine Minderheiten-Frage. 7.2. - S ü d a f r i k a. Präsident Mandela eröffnet in Kapstadt die Parlamentssession und kündigt bei dieser Gelegenheit die erste Privatisierung von Staatsbetrieben für die nächsten Monate an. Mandela bezeichnet die Ausarbeitung der am 3.2. in Kraft getretenen ersten demokratischen Verfassung des Landes als die größte Errungenschaft seiner Amtszeit. Rechtsgleichheit aller Bürger und der Respekt vor Menschenrechten seien darin festgeschrieben worden. - U S A / R u ß l a n d. Der amerikanische Vizepräsident Gore und der russische Ministerpräsident Tschernomyrdin teilen auf einer Pressekonferenz in Washington mit, das nächste Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Clinton und Jelzin werde am 20. und 21. März d.J. in der finnischen Hauptstadt Helsinki stattfinden. Tschernomyrdin, der am gleichen Tag von Clinton im Weißen Haus empfangen wird, hatte mit Gore zuvor bilaterale Themen, vor allem Wirtschaftsfragen, erörtert. - Am 23.2. erklärt Präsident Jelzin in Moskau, er hoffe, daß beim Gipfeltreffen mit Clinton ein Kompromiß in der Frage der NATO-Erweiterung gefunden werde. Zuvor hatte sich die neue amerikanische Außenministerin Albright in der russischen Hauptstadt aufgehalten (20.21.3.) und ein Gespräch mit Jelzin geführt. 9.2. - N a h e r O s t e n. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu und Palästinenserpräsident Arafat treffen sich am Grenzübergang Erez zu einer Unterredung, bei der es um die Verwirklichung des Hebron-Abkommens (vgl. "Blätter", 3/1997, S. 261) geht. Weitere Themen des Gesprächs, an dem auch der israelische Außenminister Levi teilnimmt, sind der Bau von Flug- und Seehäfen in Gaza die Öffnung freier Korridore zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland sowie der Transfer von Guthaben an die Palästinensische Autonomiebehörde. Es werden acht Verhandlungsgruppen eingesetzt, die künftig zweimal wöchentlich zusammentreffen sollen. Verhandlungslahrer sind Levi sowie der Palästinenser Abbas. - Vom 13.-14.2. hält sich Netanjahu in Washington auf. Gesprächspartner in der amerikanischen Hauptstadt sind Präsident Clinton, Außenministerin Albright und Verteidigungsminister Cohen. Clinton und Netanjahu geben im Weißen Haus eine gemeinsame Pressekonferenz. Aus Kreisen der israelischen Delegation heißt es nach Abschluß des Besuches, eine baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und Syrien sei nicht in Sicht. - Am 15.2. übt Palästinenserpräsident Arafat auf einer Kundgebung im Westjordanland Kritik an der israelischen Siedlungspolitik. Die gegenwärtige israelische Regierung spiele mit dem Friedensprozeß, wenn sie den Ausbau der jüdischen Siedlungen im Gazastreifen und im Westjardanland vorantreibe. Kurz vor Beginn einer neuen Verhandlungsrunde lehnt es der israelische Außenminister Levi am 16.2. ab, die Siedlungspolitik in die Gespräche mit den Palästinensern einzubeziehen. Israels Verteidigungsminister Mordechai kündigt am gleichen Tag den Ausbau bestehender Siedlungen in den palästinensischen Gebieten an; neue Siedlungen seien jedoch nicht geplant. Am 18.2. führt Arafat in Moskau ein Gespräch mit Präsident Jelzin, der den Palästinenser als "einen Freund des russischen Volkes" begrüßt. Zu den Gesprächspartnern Arafats gehören auch Außenminister Primakow und der Parlamentsvorsitzende Selesnjow. Am 27.2. findet in Nablus eine "Versöhnungskonferenz" statt, an der Vertreter der Autonomiebehörde und der wichtigsten Palästinenserorganisationen teilnehmen. Ziel der Konferenz ist die Formulierung eines gemeinsamen Standpunktes für die Verhandlungen mit Israel über den endgültigen Status der palästinensischen Gebiete. 12.-14.2. - A b r ü s t u n g. Mit einem Expertentreffen werden in Wien die Bemühungen um den Abschluß einer Konvention zum Verbot von Antipersonenminen fortgesetzt (vgl. "Blätter", 3/1997, S. 262). Dabei geht es vor allem um die genaue Definition solcher Minen sowie um die Überwachung eines künftigen Abkommens. - Am 20.2. bringt die deutsche Delegation im Namen der 16 NATO-Staaten bei den Wiener Verhandlungen (vgl. "Blätter", 3/1997, S. 222) ein Arbeitspapier ("Basic Elements") ein, das Vorschläge zur Anpassung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa an die nach der Auflösung der Sowjetunion und der Warschauer Vertragsorganisation veränderten politischen und militärstrategischen Bedingungen enthält. Die im KSE-Vertrag (Auszüge in "Blätter", 1/1991, S. 116 ff.) festgelegten Obergrenzen für Heereskontingente und einzelne Waffensysteme sollen jedoch nicht in Frage gestellt werden. 13.-14.2. - A S E A N / E U. Die Außenminister der 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) beraten in Singapur mit ihren Amtskollegen aus den sieben Mitgliedstaaten des Verbandes Südostasiatischer Staaten (Association of South-East Asian Nations/ASEAN) über eine Intensivierung der Beziehungen zwischen beiden Wirtschaftsblöcken. Anschließend (am 15.2.) findet im Rahmen des ASEM-Forums (Asia-Europa Meeting) eine Zusammenkunft mit einem erweiterten Kreis asiatischer Außenminister, darunter die Außenminister Chinas und Japans, statt. Es wird vereinbart, das Thema Menschenrechte zu einem festen Bestandteil des Dialogs zwischen Europa und Asien zu machen. Weitere Themen der künftigen Zusammenarbeit sollen die Bekämpfung der Kriminalität, des Rauschgiftschmuggels und der Umweltverschmutzung sein. 14.2. - T s c h e c h i e n / B R D. Die Abgeordnetenkammer des Parlaments stimmt der Deutsch Tschechischen Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung" (Text in "Blätter", 2/1997, S. 247 ff.) zu. Die Entscheidung läßt nach mehrtägiger kontroverser Debatte mit 131 gegen 59 Stimmen. Außenminister Zieleniec hatte vor der Abstimmung noch einmal auf die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte zwischen Deutschland und Tschechien in der Frage privatrechtlicher Besitzansprüche seitens der Sudetendeutschen hingewiesen. (Zur Abstimmung im Deutschen Bundestag vgl. "Blätter", 3/1997, S. 262.) 19.2. - G r o ß b r i t a n n i e n. Außenminister Rifkind wendet sich in einer Rede vor der Konrad Adenauer-Stiftung in St. Augustin bei Bonn gegen die von Bundeskanzler Kohl vertretene These, daß ohne Fortschritte bei der europäischen Einigung ein Rückfall in Nationalismus und Krieg drohe. Der moderne Nationalstaat sei nicht mehr jener des letzten Jahrhunderts und, anders als die Institutionen der Europäischen Union, demokratisch legitimiert. Rifkind lehnt nachdrücklich Entscheidungen in der Europäischen Union nach dem Mehrheitsprinzip ab. 20.2. - C h i n a. Die politische und militärische Führung teilt in einem gemeinsamen Brief "an die gesamte Partei die gesamte Armee und die Völker aller Nationalitäten" den Tod des chinesischen Spitzenpolitikers Deng Xiaoping mit und fordert die Bevölkerungen auf, sich um "das Zentralkomitee der Partei mit Jiang Zemin als Kern" zu scharen. Zu Ehren des am 19.2. verstorbenen Deng findet am 25.2. in der Großen Halle des Volkes in Peking eine Gedenkveranstaltung statt, zu der ausländische Gäste nicht geladen sind. Jiang Zemin erklärt in seiner Rede, die Reform- und Öffnungspolitik unter Führung der Partei solle fortgesetzt werden. 24.-25.2. - C h i n a / U S A. Die neue amerikanische Außenministerin Albright hält sich im Rahmen ihrer ersten offiziellen Auslandsreise zu einem Kurzbesuch in Peking auf. Frau Albright erklärt dazu, mit ihrem Besuch wolle sie den von Präsident Clinton angestrebten "strategischen Dialog" mit China fortsetzen. In Presseberichten heißt es, zu den Themen Menschenrechte, Handelsdefizit, Waffenexporte und Rüstungskontrolle habe es keine Annäherung der kontroversen Standpunkte beider Seiten gegeben. 26.2. - T s c h e c h i e n / S l o w a k e i. Das tschechische Parlament in Prag billigt mit 141 gegen 37 Stimmen bei 14 Enthaltungen eine Vorlage der Regierung, mit der der korrigierte Grenzverlauf zwischen beiden Republiken in einem Verfassungsgesetz festgeschrieben wird. Die Tschechoslowakei (Tschechische und Slowakische Föderative Republik / CSFR) hatte sich zur Jahreswende 1992/93 aufgelöst (vgl. "Blätter", 2/1993, S. 134). 27.2. - U N O. Generalsekretär Kofi Annan setzt sich in einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC für die ständige Mitgliedschaft Deutschlands und Japans im Sicherheitsrat ein. Bedingung sei jedoch, daß auch ein Land der Dritten Welt einen ständigen Sitz in diesem Gremium erhalte. In seiner gegenwärtigen Zusammensetzung spiegele der Rat noch immer die politischen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg wider. Zu den Bemühungen um eine Reform der Vereinten Nationen erklärt der Generalsekretär, Ziel sei in erster Linie eine effizientere Weltorganisation, nicht eine sparsamere.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.