Zur Lage der deutschen Wirtschaft Mitte 1997
Seit Ludwig Erhard seligen Angedenkens wird die Bevölkerung von der Regierung mit schöner Regelmäßigkeit dazu aufgerufen, den Gürtel enger zu schnallen. Das Ende der fetten Jahre wird ausgerufen, ohne daß dieselben jemals angekündigt worden wären (Joseph konnte dem Pharao immerhin auch prognostizieren: "Siehe, sieben reiche Jahre werden kommen in ganz Ägyptenland." 1. Mose 41). Ein nüchterner Blick auf die Basisdaten macht jedoch deutlich, daß die deutsche Wirtschaft ständig mehr produziert, daß die Bevölkerung i m D u r c h s c h n i t t auch in den 90er Jahren noch ständig reicher wird. Wenn unter diesen Bedingungen große Bevölkerungsgruppen aufgefordert werden, eine Absenkung des materiellen Lebensstandards hinzunehmen, dann nur, um andere besser zu stellen. Die Pro-Kopf-Einkommen in Westdeutschland sind real bis zum Anschluß der ehemaligen DDR fast kontinuierlich gewachsen. Die wirtschaftliche Eingliederung der fünf neuen Bundesländer hat das Niveau der Durchschnittseinkommen rechnerisch zunächst etwas gesenkt.
Doch seither nehmen sie wieder zu - wenn auch langsam und dürften 1997 nur noch wenig unter dem Höchststand von 1989 liegen. Dies ist eigentlich kein geeigneter Hintergrund für sozialpolitische Katastrophengemälde.