Ausgabe Oktober 1998

Nochmal: PDS und Rechte

Gefragt, ob er sein Land liebe, antwortete Gustav Heinemann, damals Bundespräsident: "Ich liebe meine Frau". Das ist mehr als ein Vierteljahrhundert her. Heute würde jeder Bundespräsident sich nicht nur genötigt sehen, er würde freudig und freiwillig seine Vaterlandsliebe in die Öffentlichkeit posaunen. Was ist passiert? Die "geistig-moralische Wende" hat gegriffen. Sie einzuleiten, also von den damals (in der Folge der 68er) "neuen" Werten der Solidarität und Selbstbestimmung wieder zurückzufinden zu den alten Werten der Subsidiarität, Familie, Tradition, Nation war das Ziel, mit dem Bundeskanzler Kohl seine Regierungszeit eröffnete. Die völlige Selbstverständlichkeit, mit der "wir alle" heute ein ungetrübtes und positives Verhältnis zur Nation zu haben, ist ebenso ein Resultat der "geistig-moralischen Wende", wie die - da durch "Solidarität" diskreditierte - Aushöhlung der Systeme der sozialen Sicherheit.

Nun teilt die PDS weder die Politik der Kohl-Regierung, noch deren weltanschaulichen Hintergrund. Jedoch ist die Kritik der PDS an der Praxis und den Folgen neoliberaler Politik besser entwickelt als ihre Auseinandersetzung mit der Ideologie und Theorie des Neoliberalismus.

Oktober 1998

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