nternationales Recht löst die nationalstaatlichen Grenzen der Welt auf. Diese Entwicklung hat spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges begonnen und im Kosovo-Krieg ihren vorläufigen Höhepunkt gewonnen. Mit den Nürnberger Prozessen wurde das Prinzip eingeführt, daß Regierungen, die Regierte mißhandeln, vor einem internationalen Gerichtshof angeklagt und verurteilt werden können. Im Jahre 1948 haben die Vereinten Nationen die Erklärung universeller Menschenrechte verabschiedet. Viele Staaten schlossen sich der Genfer Konvention an, mit der sie sich verpflichten, aktiv gegen Völkermord überall in der Welt vorzugehen. Diese Gesetze und Verträge konnten so lange nicht umgesetzt werden, wie die Politik des Kalten Krieges es verhinderte. Im Jahre 1998 unterzeichneten 120 Nationen, nicht die USA, einen Vertrag zur Errichtung eines Internationalen Gerichtshofes - einmal mehr triumphierte internationales Recht über nationale Souveränität. Vielleicht kann man sogar sagen: Die wirtschaftsmächtigen G7-Staaten bilden eine Art embryonaler Weltregierung.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.