Ausgabe Dezember 2025

Angriff auf die Schwächsten: Flüchtlingsschutz vor dem Kollaps?

Eine Frau vor dem Registrierungszentrum des UNHCR-Flüchtlingscamps in Adre, Tschad, 1.9.2024 (IMAGO / Martin Bertrand)

Bild: Eine Frau vor dem Registrierungszentrum des UNHCR-Flüchtlingscamps in Adre, Tschad, 1.9.2024 (IMAGO / Martin Bertrand)

Am 14. Dezember jährt sich die Gründung des UNHCR, des Amts des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, zum 75. Mal. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte die Behörde Lösungen finden für die Millionen Flüchtlinge in Europa. Es war auch die Erfahrung massiver Zurückweisung geflüchteter Jüdinnen und Juden durch viele Länder während des Nationalsozialismus und der gescheiterten Flüchtlingskonferenz von Évian 1938, die die internationale Staatengemeinschaft nach dem Holocaust dazu bewegte, 1950 das UNHCR zu gründen. 1951 folgte die Genfer Flüchtlingskonvention, mit der man sich auf allgemeinverbindliche Regeln zum Umgang mit Flüchtlingen einigte. Die Konvention regelt unter anderem, wer Flüchtling ist und dass eine Person nicht zurückgewiesen werden darf, wenn ihr damit Gefahr für Freiheit und Leben droht. Mit anderen Worten: Es entstand eine kollektive Verantwortlichkeit, die nicht erst verhandelt werden musste. Heute haben 149 Staaten die Flüchtlingskonvention und/oder das Protokoll von 1967 unterzeichnet, das die zeitliche und geografische Begrenzung der Konvention auf Ereignisse vor 1951 und nur europäische Flüchtlinge auflöste. Die Arbeit des UNHCR wurde damit global. Mit nationalen Gesetzgebungen, wie in den USA 1980 oder in Deutschland 1982, wurde die Flüchtlingskonvention in nationalem Recht verankert. 

Doch dessen ungeachtet steckt der internationale Flüchtlingsschutz heute in einer tiefen Krise.

»Blätter«-Ausgabe 12/2025

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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