Man weiß nicht, was schlimmer ist: Daß für die Verkündung des Urteils in dem Strafprozeß gegen Egon Krenz, Günter Schabowski und Günther Kleiber beim Bundesgerichtshof ein Tag wie der 8. November bewußt ausgesucht oder gar vereinbart wird - oder daß das Gericht, dienstfertig und dem Zeitgeist verfallen, das Datum instinktiv fand? Damit man am Tage darauf, wieder an einem jener deutschen 9. November, diesmal dem zehnjährigen Jubiläum des Falles der Mauer, Schlagzeilen wie diese in den Zeitungen lesen kann: "Krenz muss wegen Totschlags ins Gefängnis", oder: "Urteile gegen Krenz, Schabowski, Kleiber bestätigt - 'Totschlag in mittelbarer Täterschaft'"? Man muß nichts mit den drei Angeklagten im Sinn haben, wenn man sich von der kaum zufälligen zeitlichen Koinzidenz und den Zeitungsaufmachern des diesjährigen 9. November abgestoßen fühlt. Und man muß das auch nicht - wie Egon Krenz - "Siegerjustiz" nennen. Es ist auch so schlimm genug.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.