Der deutsche Außenminister hat eine neue Debatte über die Nuklearstrategie der NATO eröffnet und ist damit auf den Widerstand der Kernwaffenstaaten USA, Großbritannien und Frankreich gestoßen, die lieber alles beim alten gelassen hätten. Andere Nichtkernwaffenstaaten in der Allianz wie Kanada, Norwegen, Dänemark oder Belgien und auch die Niederlande sympathisieren mit der deutschen Position. Aber muß die Ersteinsatzdoktrin tatsächlich überprüft oder gar geändert werden? Ursprünglich verfolgte die NATO das Ziel, der konventionellen Macht der Sowjetunion Division für Division und Geschwader für Geschwader Paroli zu bieten. Dies war der Inhalt der "Lissaboner Beschlüsse", die der NATO-Gipfel von 1951 faßte, also noch bevor die Bundesrepublik bewaffnet und ins Bündnis aufgenommen wurde. Diese Pläne wurden aus zwei Gründen nie realisiert: Es stellte sich schnell heraus, daß eine beschleunigte Aufrüstung den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaften überfordert hätte.
Die wirtschaftliche Wohlfahrt hatte aber absoluten Vorrang, zum einen, weil die Wählerinnen und Wähler dies verlangten, und zum anderen, weil die politischen Eliten die Folgen der Wirtschaftskrise von 1929 in lebhafter Erinnerung hatten.