In der Netz- und Druckversion von Martin Walsers mittlerweile berüchtigter Friedenspreisrede fehlt ein charakteristischer Passus, der die (zuerst in der FAZ gedruckte) Redeversion noch zierte: es handelt sich um den nur pro familia (propria) zu lesenden Hinweis auf die literarischen Verdienste der eigenen Tochter. Möglicherweise liegt in diesem Schlenker ein Hinweis auf den gemeinten Sinn des schillernden Textes, der die diesem sogleich zugewachsene öffentliche Bedeutung doch allzu frivol zu konterkarieren drohte. Nachdem die massenmediale Resonanz nicht umhin kam, sogleich die üblichen Verdächtigen ins Visier zu nehmen (als da sind: Antisemitismus, Vergangenheitsbewältigung und Schlußstrichmentalität), geriet ein doch immerhin erwartbares Motiv gemeiner Autoreneitelkeit ganz unberechtigt in den Hintergrund: der von machtnahen politischen Literaturagenten wie Frank Schirrmacher angefachte Drang des streitbaren Friedenspreisträgers nach nationaler Repräsentanz des eigenen Schaffens. Wäre die Rechnung aufgegangen, so hätte die zwanglose Einbeziehung der eigenen Sippe einen sympathisch persönlichen Farbtupfer im nationalen Ernst der schwarz-rot-goldenen Repräsentationspflicht abgegeben. Die rhetorische Architektur der Friedenspreisrede wäre in drei Überschriften zu rekonstruieren, und die müßten lauten: 1.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.