Read my lips, schlug George Bush den Fernsehzuschauern im Wahlkampf vor. Im Krieg, lernen wir gerade wieder, wird nicht weniger als sonst geredet, aber noch mehr gelogen. Verschweigen kann die schlimmere Form der Lüge sein. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, rät die Bibel. I. Wenn die Prämissen nicht stimmen, kann über ein Problem nicht sinnvoll verhandelt werden, weder über Ursachen noch über Abhilfe, Lösungswege. II. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, muß es zunächst einmal herausgezogen werden. Vielleicht lebt es noch. III. "Wenn auch nur ein Viertel stimmt..." Sobald ein Bundesaußenminister am Ende einer Pressekonferenz über gegnerische Greuel seine Darbietung mit dieser Floskel zusammenfaßt, heißt das: Alarmstufe 1 im Umgang mit jeglicher Information der Kriegsparteien, insbesondere der eigenen Seite. Denn die beansprucht, in unserem Namen und Auftrag zu handeln. Für sie haften wir unmittelbar mit. IV. Wenn es tatsächlich das Ziel der NATO-Strategie war, die Lage der Kosovo-Albaner zu verbessern oder - so erklärt sie seit Kriegsbeginn - eine "humanitäre Katastrophe" zu verhindern, so können wir nur beten, nicht eines Tages selbst in den Genuß derart effektiver "brüderlicher Hilfe" zu gelangen.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.