In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten trug die Politik der großen westlichen Industrieländer das Ihre dazu bei, die nationalen Märkte und den Weltmarkt weitgehend zu deregulieren. Die Waren- und Kapitalströme sind breiter geworden, laufen schneller und erreichen inzwischen die letzten Winkel des Globus. Das gilt insbesondere für die Finanzströme, die Jahr um Jahr mit zweistelligen Raten gewachsen sind. Globalisierung wird daher zu Recht als Kompression von Zeit und Raum charakterisiert. 1) Moderne Kommunikationsmedien und Transporttechniken lassen die Distanzen zwischen konkreten, weit auseinanderliegenden Orten zusammenschmelzen, so daß Investoren in der Lage sind, sehr schnell große Finanzsummen von einem Ort abzuziehen und woanders wieder anzulegen - je nach Renditeerwartung. Die Verdichtung von Raum und Zeit dehnt sich auch auf die natürliche Umwelt aus. Denn die Beschleunigung gelingt nur mit Hilfe fossiler Energieträger. Hindernisse natürlicher Landschaften werden eingeebnet, um die Zirkulationskosten des Kapitals zu senken. Globalisierung bedeutet Expansion in alle Räume, auch in die bislang unzugänglichen Räume des erdnahen Weltalls, der Tiefsee und in die Nanowelt der Gene und Genome.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.