Über vierzig Jahre lang - bis 1987 - waren Landtagswahlen in Hessen langweilig: die SPD gewann ja sowieso. Inzwischen ist das anders geworden. Das Land präsentiert immer wieder einmal Überraschungssieger. Der Aufstieg Walter Wallmanns erst zum Oberbürgermeister von Frankfurt 1977, dann zum Hessischen Ministerpräsidenten 1987 erstaunte alle, die ihn bis dahin nur als provinziellen Pitbull kannten. Dem blassen Hans Eichel wollte 1991 kaum jemand etwas zutrauen. Und Roland Koch hatte 1999 vor dem Wahltag nicht nur Abscheu und Zustimmung geerntet, sondern auch schon Mitleid für den sicheren Verlierer, als er, in einem Anorak steckend wie der letzte Demonstrant, seine Waschkörbe mit Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft präsentierte. Die neue Wechselhaftigkeit in der Politik eines Landes, das für die SPD früher eine ähnlich sichere Sache war wie heute Nordrhein-Westfalen (und Bayern für die CSU), mag Ausdruck eines wirtschaftlichen Strukturwandels sein (man weiß das nie so genau).
Das Rhein-Main-Gebiet ist seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein herausragender Standort für die Chemie- und Auto-Industrie. Aber nicht mehr die Arbeiterschaft dieser Branchen dominiert die politische Kultur, sondern es sind die Dienstleister rund um den ständig wachsenden Flughafen, die Börsianer und die Frankfurter Banker.