Einer in Israel oft zu hörenden sarkastischen Redewendung zufolge ist es wünschenswert, die rechtskonservative Likud- Partei an der Regierung zu haben, wenn es um Frieden geht, günstiger hingegen die sozialdemokratische Arbeitspartei, wenn es darum geht, einen Krieg anzupeilen. Warum? Weil sich die jeweilige Regierung bei der Verfolgung ihrer Politik in beiden Fällen der Unterstützung durch die Opposition gewiß sein dürfte. Dabei soll unerörtert bleiben, inwieweit sich Likud und Arbeitspartei noch wesentlich unterscheiden, mithin ob die Links-Rechts-Unterscheidung angesichts der Zerstörung der letzten Überbleibsel der israelischen Sozialdemokratie durch die Arbeitspartei und der Abwendung des Likud-Blocks von der seine Gründungseliten umtreibenden Großisrael-Ideologie überhaupt noch trägt. Zu sehr ähneln sich mittlerweile die beiden Großparteien (oder was von ihnen übriggeblieben ist) in ihrer Gesamtausrichtung. Kodiert man aber links bzw. rechts als die mehr bzw. minder ausgeprägte Friedensbereitschaft der Libeiden Lager, mag die Arbeitspartei für „links“, der Likud für „rechts“ stehen.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.