Wer NMD alias "Raketenabwehr" für eine sicherheitspolitische Option hält, deren Bewertung er einstweilen getrost den Experten überlassen könne, irrt. Es handelt sich um eine folgenschwere Richtungsentscheidung, die wichtigste seit dem unverhofft glimpflichen Ausgang der Ost-West-Konfrontation. Ob das Sicherheitsverständnis der NMD-Befürworter sich durchsetzt - oder jetzt die überfällige Auseinandersetzung mit dem zugrundeliegenden Weltbild provoziert, dürfte so oder so unser Leben, unser Selbstverständnis, die Kriterien des Zusammenlebens mit anderen nachhaltig beeinflussen. Verständlich genug allerdings, daß die Öffentlichkeit in Europa dem Thema bisher nicht allzuviel Beachtung schenkt, nicht nur wegen des abgehobenen Jargons, in dem es verhandelt wird, sondern wohl auch aus der - trügerisch gewordenen - Gewißheit heraus, Europas Regierungen hätten den amerikanischen Plänen oft genug widersprochen und vor den negativen Folgen gewarnt. Und manche denken, wenn die Amerikaner sich etwas in den Kopf gesetzt hätten sei es auch eine Narretei -, ließen sie sich ohnehin nicht von anderen umstimmen, deshalb sei es politisch das Klügste, die in Washington jetzt regierende Raketenabwehr-Fraktion erst einmal gewähren zu lassen.
Vielleicht merkt sie ja selbst, daß sie einem Phantom nachjagt.