Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage macht das R-Wort die Runde. Befindet sich die Gesamtwirtschaft in der Rezession? Das ist der Fall, sobald ein „deutlicher Rückgang der Wirtschaftsleistung über mehrere Monate hinweg quer durch die Volkswirtschaft in der Industrieproduktion, Arbeitslosigkeit, Realeinkommen sowie Groß und Einzelhandel erkennbar ist“.1 Der Bundeskanzler kann keinerlei R-Gefahr ausmachen, und der Bundesfinanzminister verbreitet Optimismus: Das Wirtschafts-wachstum durchliefe eine Delle, d.h. es erhole sich wieder schnell. Wer so argumentiert, der sieht auch keinen finanzpolitischen Handlungsbedarf. An die Stelle einer Politik mit gegensteuernder Hand tritt der marktoptimistische Schwur auf die ehernen Selbstheilungskräfte kapitalistischer Dynamik. Zu den vielfältigen Arten der Problemverdrängung gehört der Vorwurf, nicht die Lage sei schlecht, höchstens das Gerede darüber: Wird die konjunkturelle Krise wieder mal zur intellektuellen Kopfgeburt ewig pessimistischer Ökonomen umgedeutet? Klarheit verschafft ein Blick auf die Entwicklung der objektiven Determinanten der Gesamtwirtschaft.
In ihrem Herbstgutachten kommen die sechs großen wirtschaftswissenschaftlichen Institute zum dem Ergebnis: „Im Herbst 2001 befindet sich die deutsche Wirtschaft am Rande einer Rezession.