Ausgabe April 2002

Zeuget und gebäret

Ende vorigen Jahres hat das Bundespresseamt eine Begleitbroschüre zu seiner Kampagne "Familie Deutschland" aufgelegt. In 107 Stichworten - von "Kindergeld" bis "Nationale Nachhaltigkeitsstrategie" - versucht diese den Eindruck zu erwecken, die rot-grüne Regierungsarbeit habe nur ein Ziel verfolgt: die Verbesserung der Lebensbedingungen von Familien und Kindern. "Familienpolitik ist eben immer noch Gesellschaftspolitik, ist Politik für die 'Familie Deutschland'", betont deren Erster Vater, Gerhard Schröder, im Geleitwort. 1)

Es ist noch gar nicht lange her, dass moderne Nationalstaatlichkeit und mit ihr die Bevölkerungspolitik als ein Relikt aus vergangener Zeit diskutiert wurden. Vorbei! Seit etwa drei Jahren erleben wir eine ideologische Renaissance der Bevölkerungspolitik. Aus der "Deutschland AG" wird die "Familie Deutschland". Für diesen Deutungswandel gibt es zwei strukturelle Gründe: Der "Staat" ist auch ein Selbstzweck. Wenn wir ihn als eine Organisation verstehen, die kein Interesse hat, sich selbst abzuschaffen, ist ihre Selbstvergewisserung über ständige Intervention nur konsequent. Und die Bevölkerungspolitik ist traditionell ein Zentralgebiet moderner Staatlichkeit. Zum Zweiten, Staat, Gesellschaft und Ökonomie brauchen Menschen.

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