Mit der Abwertung des argentinischen Peso sowie dem Aussetzen der Zinszahlungen und der Schuldentilgung ist ein Kapitel „moderner“ Wirtschaftspolitik für aufholende Länder zu Ende gegangen, das wie kaum ein anderes die ideologische und theoretische Auseinandersetzung der westlichen Welt mit den Entwicklungsländern geprägt hat. Argentinien war lange Jahre der Musterknabe (selbst im englischen Sprachraum hat sich dafür die Vokabel „Wunderkind“ eingebürgert) des Internationalen Währungsfonds und der großen sieben westlichen Industrieländer (G7), der Vorzeigefall für „gute“, weil extrem liberale Wirtschaftspolitik. Das Land am Rio de la Plata hatte sich Anfang der 90er Jahre entschieden, radikal mit der interventionistischen und inflationistischen Vergangenheit zu brechen. Es führte ein System absolut fester Wechselkurse bei vollständiger Öffnung des Kapitalmarktes ein (ein Peso gleich ein US-Dollar), bei dem die inländische Geldversorgung vollständig von Kapitalzuflüssen aus dem Ausland gedeckt sein muß – den sogenannten currency board. Zugleich verwirklichte es ein extrem ehrgeiziges Liberalisierungs- und Privatisierungsprogramm.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.