Der Wissenschaftler und Publizist Jaroslav Sonka war perplex, als er im Info-Radio Berlin die Ankündigung des Moderators hörte, 1860 München werde im Fußball-UEFA-Cup gegen die tschechische Mannschaft Petra Drnovice oder so spielen. Es war das "Oder so", das ihn aufhorchen ließ. Denn der Moderator habe sagen wollen, dass er von diesem tschechischen Verein nichts wisse, trug Sonka auf einem Deutsch-Tschechischen Diskussionsforum vor. Und vermutlich war der Moderator des Senders, der auf seine journalistische Kompetenz große Stücke hält, nicht einmal beschämt darüber, dass er mit dem Stadtnamen nichts anfangen kann. So furchtbar viel hatten sich Tschechen und Deutsche in den vergangenen Jahren nicht zu sagen. Und großes Interesse an der Tschechischen Republik kann man den Bundesbürgern schlecht attestieren. Vielleicht verhält es sich bei ähnlich kleinen Staaten, wie zum Beispiel den Niederlanden oder Belgien, genauso, doch zumindest sind die Beziehungen zu ihnen von professioneller Nüchternheit geprägt - normal eben. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien bleiben auf ein Thema beschränkt - eindimensional-emotional möchte man fast sagen: Sudetendeutsche. Was darüber hinaus passiert, findet kaum Beachtung.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.