Eine „Staatskomödie“ sei Bosnien-Herzegowina, sagte Zlatko Lagumdžija, Premier und Außenminister des Landes: Sieben Jahre nach dem militärischen Erfolg des Friedenspakets von Dayton liegt die zivile Befriedung Bosniens in weiter Ferne. Woran Dayton nicht unschuldig ist: Der Vertrag verfügte nach anderthalb Jahrtausenden bosnischer Integrität deren Zerschlagung in zwei „Entitäten“, die bosnisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska (RS). Gleichzeitig definierte er die bosnischen Muslime (44 %), Serben (31 %) und Kroaten (17 %) als die drei „konstitutiven Völker“ Bosniens, was diese motivierte, einander mit allen Möglichkeiten politisch-ökonomischer Obstruktion zu bekriegen. In Bosnien-Herzegowina steht die Machtpyramide auf dem Kopf. Die Zentralregierung hat so gut wie keine Macht, weil diese bei den Entitäten liegt und von deren Untergliederungen, den Kantonen (in der Föderation) und den Kommunen (in der Republika Srpska) ausgeübt wird. Nationalistische Kroaten in Bosnien-Herzegowina fordern eine dritte Entität für sich, und weil ihnen die vom Amt des Hohen UN-Repräsentanten (OHR) bislang verweigert wurde, versuchen sie es seit einigen Monaten andersherum: Wie die Lemminge strömen sie aus Bosnien-Herzegowina nach Kroatien. Andere folgen ihnen anderswohin: über 100 000 in den letzten fünf Jahren.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.