Ausgabe November 2002

Gesucht: Europa als strategische Idee

Die transatlantischen Missverständnisse erhalten in der gegenwärtigen Phase der Erhitzung des öffentlichen Klimas in Amerika eine besondere Eigendynamik: Die Dramatik, von der amerikanischen Medienwelt gekonnt inszeniert, weist in Richtung eines Krieges gegen den Irak. „Showdown Irak“ ist die mediale Überschrift, mit der die Öffentlichkeit auf die Realität des bevorstehenden Krieges vorbereitet wird. Der Terror hat die amerikanische Nation existenziell getroffen. Selbst die letzte verbliebene Supermacht kann den Schutz ihrer Bürger nicht garantieren. Dies ist ein völlig neuer Horizont für ein Land, das sich in seiner Geschichte weitestgehend als von außen unangreifbar verstehen konnte. Die sicherheitspolitischen Herausforderungen Amerikas lagen traditionell außerhalb der eigenen Grenzen. Überall, wo der amerikanische Traum von der Freiheit bedroht erschien, war das Ethos der Vereinigten Staaten gefordert – im geteilten Deutschland, in Berlin, in Vietnam, in Somalia und anderswo. Jetzt aber wurde erstmals die Gefährdung der eigenen Nation zur traumatischen Erfahrung.

In der amerikanischen Antwort, im Krieg gegen denTerror, ist nun aus amerikanischer Sicht nicht primär Freundschaftspathos gefragt, sondern handfeste europäische Leistung.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat