Ausgabe Oktober 2002

Der Kongress muss über einen Irak-Krieg abstimmen. Eine Petition amerikanischer Historiker vom 13. September 2002 (Wortlaut)

1200 amerikanische Historikerinnen und Historiker haben sich am 13. September mit einer Petition an den US-Kongress gewandt (die am 17. September als ganzseitige Anzeige in der „New York Times“ erschien). Die Unterzeichner bitten die Kongressmitglieder eindringlich, ihre verfassungsmäßigen Rechte geltend zu machen und die Entscheidung über einen etwaigen Krieg gegen den Irak nicht dem Präsidenten allein zu überlassen. Bush selbst erwägt einen Kriegsbeginn ohne Abstimmung im Kongress – so wie es bei allen US-Militäreinsätzen nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall gewesen ist. Der Text wurde von Joyce Appleby und Ellen Carol DuBois von der University of California verfasst; zu den Unterzeichnern zählt der frühere Kennedy-Berater Arthur Schlesinger jr. – D. Red.

Wir, die unterzeichnenden amerikanischen Historiker, bitten unsere Kongressmitglieder eindringlich, ihrer verfassungsmäßigen Verantwortung gerecht zu werden, indem sie darüber debattieren und abstimmen, ob dem Irak der Krieg erklärt werden soll oder nicht. Wir tun dies, weil das amerikanische Volk Anspruch darauf hat, seine Vertreter das Für und Wider eines möglichen Krieges erörtern zu hören, damit eine Entscheidung von solcher Tragweite nicht vom Präsidenten alleine getroffen wird, nachdem die Öffentlichkeit mit Gerüchten, Indiskretionen und Spekulationen abgespeist wurde.

Wir richten diese Bitte an unsere Senatoren und Abgeordneten, weil der Kongress seine Befugnisse in Sachen Kriegserklärung seit über einem halben Jahrhundert nicht geltend gemacht hat. Dies überlässt dem Präsidenten die alleinige Kontrolle über die Rechtsvollmachten für den Kriegsfall – zum Nachteil unserer Demokratie und in klarer Verletzung der Verfassung.

Wir halten es für besonders dringlich, dass der Kongress seine Befugnisse diesmal erneut geltend macht, da ein Angriff auf den Irak, so er denn stattfindet, eine amerikanische Initiative wäre. Während des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahre 2000 gab es keine Erörterung der Irakfrage, daher kann die Wahl George W. Bushs nicht als Mandat für einen Angriff in Anspruch genommen werden. Nur eine Debatte der gewählten Repräsentanten Amerikas kann eine ernsthafte öffentliche Abwägung der Kosten, Risiken und Ratsamkeit eines solchen Krieges herbeiführen.

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