Ausgabe Oktober 2002

Kästchendenken in Johannesburg

"Wir, die Repräsentanten der Menschen in der Welt, erneuern unsere Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung". So anspruchsvoll beginnt die feierliche Deklaration der Staatsoberhäupter zum Abschluss des UN-Gipfels für nachhaltige Entwicklung, der am 4. September in Johannesburg zu Ende ging.

Während die etwa einhundert im vornehmen Johannesburger Vorort Sandton versammelten Regierungschefs diese Erklärung abgaben, hatte der von Präsident Bush zu einer kurzen Stippvisite entsandte US-Verteidigungsminister Colin Powell bereits besseres zu tun: Er befand sich in einem Hubschrauber über den Regenwäldern des ölreichen Gabun, zusammen mit dessen Präsidenten Omar Bongo, einem in Afrika insbesondere für bad governance bekannten Repräsentanten der Menschen. Diesen lobte er als Beispiel für ganz Afrika, allerdings nicht wegen seines diktatorischen Regierungsstils und diverser erfolgreicher Wahlmanipulationen, sondern weil er unlängst einen Teil des Gabunischen Regenwaldes zu Nationalparks erklärt hatte. So flexibel kann amerikanische Außenpolitik sein. Powell, dem in der Bush-Administration die Rolle des good guy zukommt, gab anschließend zu Protokoll, das Highlight seiner Afrikavisite sei "nicht das Gipfeltreffen, sondern ein Waldspaziergang" gewesen.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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