Ausgabe September 2002

Nachhaltig in der Krise

Irrtümer rot-grüner Finanzpolitik

Viele Wähler der rot-grünen Bundesregierung erwarteten 1998, dass die Politik die gestalterische Dominanz gegenüber den Märkten zurückgewinne und nicht weiterhin den Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft spiele. Trotz zum Teil deutlich unterschiedlicher Ausgangspositionen in den jeweiligen Wahlprogrammen vereinbarten SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Koalitionsvertrag1 zumindest im Bereich der Finanzpolitik ein Konzept, welches auf eine Gestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse mit Hilfe staatlicher Politik setzt. Die dem gesamten Koalitionsvertrag vorange- stellten Ziele „Arbeit, Umwelt, soziale Gerechtigkeit“ wurden im Bereich der Finanzpolitik konzeptionell recht gut umgesetzt und hätten daher durchaus das Etikett „Nachhaltigkeit“ verdient. Die Instrumente waren auf den ökolo- gischen Umbau und damit auf die Vorsorge für künftige Generationen und soziale Gerechtigkeit ausgerichtet. Wohl unter dem Druck wirtschaftlich mächtiger Interessengruppen, aber auch durch pragmatische Anpassung an den marktoptimistischen Zeitgeist verlor in der nachfolgenden Regierungspraxis der im Koalitionsvertrag konzipierte Neuanfang jedoch an Kraft. Der zunächst noch zögerlich begonnene Abschied von einer sozial und ökologisch gestaltenden Finanzpolitik ist inzwischen vollzogen.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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