Noch im Bundestagswahlkampf 2002 verkündeten SPD und Bündnisgrüne unisono, der Weg in die "Zweiklassenmedizin" sei mit ihnen nicht zu gehen. Das Bekenntnis richtete sich gegen die Absichtserklärungen von CDU und FDP, eine Aufspaltung des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Grund- und Wahlleistungen einzuführen. Nur ein halbes Jahr nach dem Wahlsieg von Rot-Grün zeichnet sich jedoch ab, dass die bevorstehende Gesundheitsreform die bislang tiefsten Einschnitte in das deutsche Gesundheitssystem zum Gegenstand haben wird. Die Debatten der vergangenen Wochen weisen zwei Grundtendenzen auf: Zum einen drängt die Dominanz des Kostensenkungsziels die notwendige Diskussion über Gesundheitsziele und qualitative Reformschritte völlig an den Rand. Zum anderen deutet sich an, dass die angestrebte Beitragssatzsenkung in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu einem beträchtlichen Teil mittels einer Individualisierung und Privatisierung des Krankheitsrisikos durchgesetzt wird.
Die politischen Entwicklungen seit der Bundestagswahl haben die Kräfteverhältnisse zwischen Regierung und Opposition verschoben und auch innerhalb der Regierungskoalition die Stimmen verstärkt, die sich für nachhaltige Einschnitte in die Systeme der Sozialversicherung aussprechen. Dabei sind zwei Ereignisse von besonderer Bedeutung.