Ausgabe April 2003

Klassenmedizin

Noch im Bundestagswahlkampf 2002 verkündeten SPD und Bündnisgrüne unisono, der Weg in die "Zweiklassenmedizin" sei mit ihnen nicht zu gehen. Das Bekenntnis richtete sich gegen die Absichtserklärungen von CDU und FDP, eine Aufspaltung des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Grund- und Wahlleistungen einzuführen. Nur ein halbes Jahr nach dem Wahlsieg von Rot-Grün zeichnet sich jedoch ab, dass die bevorstehende Gesundheitsreform die bislang tiefsten Einschnitte in das deutsche Gesundheitssystem zum Gegenstand haben wird. Die Debatten der vergangenen Wochen weisen zwei Grundtendenzen auf: Zum einen drängt die Dominanz des Kostensenkungsziels die notwendige Diskussion über Gesundheitsziele und qualitative Reformschritte völlig an den Rand. Zum anderen deutet sich an, dass die angestrebte Beitragssatzsenkung in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu einem beträchtlichen Teil mittels einer Individualisierung und Privatisierung des Krankheitsrisikos durchgesetzt wird.

Die politischen Entwicklungen seit der Bundestagswahl haben die Kräfteverhältnisse zwischen Regierung und Opposition verschoben und auch innerhalb der Regierungskoalition die Stimmen verstärkt, die sich für nachhaltige Einschnitte in die Systeme der Sozialversicherung aussprechen. Dabei sind zwei Ereignisse von besonderer Bedeutung.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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