Politiker überschätzen ihren Einfluss auf die Ökonomie. Anlass zu dieser Einsicht gibt aktuell Bundeskanzler Gerhard Schröder. Während seines Besuchs bei USPräsident George W. Bush im Februar äußerte sich der Kanzler wiederholt zur Geld- und Währungspolitik, nicht seiner eigenen, sondern derjenigen der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB solle gefälligst über eine Senkung ihrer Leitzinsen nachdenken. In mehreren Interviews sagte Schröder, er wolle zwar keine direkten Ratschläge geben, doch seien es "allein die Zentralbanken", die am Wechselkursverhältnis etwas ändern könnten. Er könne sich "vorstellen, dass man über die Frage nachdenkt, ob das Zinsniveau richtig justiert ist", riet Schröder kaum verblümt zu niedrigeren Zinssätzen.1
Nicht, dass Schröders vermutlich gut gemeintes Engagement gänzlich verpufft wäre: So reagierten die Devisenmärkte kurzfristig mit einem sinkenden Euro- Kurs. Die Europäische Zentralbank wollte den Vorstoß, wie üblich, nicht kommentieren. 2 Gleichwohl dürfte man in Frankfurt heimlich den Kopf geschüttelt haben, denn die unerschütterliche Unabhängigkeit gegenüber Politik und Regierung bildete den Grundstein für die Errichtung der EZB. Damit folgten die Euro-Politiker 1998 dem Beispiel der Deutschen Bundesbank, während die Notenbanken in Frankreich und England traditionell eng an die aktuelle Regierung angekoppelt waren.