Ausgabe Februar 2004

Im Jahr eins nach Saddam Hussein

Kein triumphales Auftreten. Keine Siegesfeier. Der Präsident verzog keine Miene, als er am 14. Dezember in einer Fernsehansprache live aus dem Weißen Haus das bestätigte, was sein Statthalter im Irak, Zivilverwalter Paul Bremer, kurz zuvor schon verkündet hatte: die Festnahme Saddam Husseins. Dabei hätte George W. Bush doch anders als Anfang Mai - als er auf einem Flugzeugträger vor dem Schriftzug "mission accomplished" posierte, um das vermeintliche Ende der Hauptkampfhandlungen im Irak zu verkünden - diesmal tatsächlich einen Grund gehabt, mit der Erledigung einer, wenn auch selbst gestellten, Aufgabe aufzutrumpfen. War da doch jemand gefangen genommen worden, den kaum jemand, auch in der arabischen Welt, nicht mit Abscheu betrachten dürfte.

Doch wer gerade einen Erfolg verbucht hat, vermehrt seine Ehre bekanntlich durch demonstrative Bescheidenheit. Vielleicht ahnte Bush auch, dass die Festnahme des einstigen Diktators ihm bestenfalls eine Verschnaufpause verschaffen würde. Es dauerte denn auch nur wenige Wochen, bis sein ehemaliger Finanzminister Paul O’Neill den Präsidenten in Verlegenheit brachte: Bereits in den ersten Tagen nach Antritt der Regierung Bush im Januar 2001, so plauderte der Ex-Minister aus, sei es nur noch um das "Wie" und nicht um das "Ob" eines Angriffs auf den Irak gegangen. Eine Reaktion auf die Anschläge vom 11.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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