Ausgabe Juni 2004

Scharons Scheitern als Chance

Der israelische Ministerpräsident hat am 2. Mai das Referendum in seiner Likud-Partei über den vollständigen Rückzug aus dem Gazastreifen und die Aufgabe von vier Siedlungen im Norden der Westbank verloren. Das Ergebnis verwundert nicht, schließlich hatte die israelische Öffentlichkeit viele Jahre lang von Ariel Scharon anderes vernommen als die Bereitschaft zum Verzicht auf palästinensische Territorien. Scharon war es, der Israels Besitzansprüche auf die Westbank und den Gazastreifen durch konfiskatorische, demographische, bauliche und sicherheitspolitische Maßnahmen betonieren ließ. So machten auch diesmal bereits vor der Abstimmung Mutmaßungen die Runde, wonach Scharon die Niederlage von vornherein in Kauf nehmen wollte, mehr noch: gerade darauf abzielte, um sich dem internationalen politischen Druck zur Räumung palästinensischer Gebiete mit dem Verweis auf das negative Likud-Votum besser widersetzen zu können. Angesichts seiner demonstrativen US-Reise vom April und der offenkundigen innenpolitischen Schwächung, die Scharon durch das Votum erfahren hat, scheinen diese Spekulationen indes nicht haltbar.

Feststehen dürfte hingegen, dass sich spätestens mit Scharons Reise die Roadmap vom Frühjahr 2003 in einer schweren Krise befand.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Krieg gegen Gaza: Israels innere Spaltung

von Ignaz Szlacheta

„Schalom, auf Wiedersehen Gaza, wir trennen uns. Ich werde am Strand sitzen und die Uniform vergessen.“ Diese Zeilen sang Yishai Levi während eines Auftritts in einer bekannten israelischen Politiksendung im Jahr 1993.

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat