Externe und interne Ursachen in historischer Perspektive
In der islamisch geprägten Welt kursieren seit Jahrzehnten Behauptungen über "jüdische Ritualmorde" oder "jüdische Verschwörungen", die ansonsten mit nationalsozialistischer und völkischer Ideologie in Verbindung gebracht werden. Selbst die längst als Fälschung entlarvten "Protokolle der Weisen von Zion", die bedeutendste Hetzschrift des europäischen Antisemitismus, erreichen dort hohe Auflagen. Derartige Auffassungen sind nicht auf gesellschaftlich marginale Gruppierungen und Personen beschränkt. Vielmehr finden sie sich auch bei angesehenen Politikern, in bedeutenden Organisationen sowie in etablierten Medien und staatlichen Veröffentlichungen.1
Was sind die Ursachen für die Akzeptanz des europäisch geprägten Antisemitismus in der islamisch geprägten Welt? In der bisherigen Debatte und Forschung haben sich zwei Positionen herausgebildet. Die eine Richtung, repräsentiert durch Matthias Küntzel und Robert Wistrich, geht davon aus, dass die Zuspitzung des Nahost-Konfliktes durch den bereits bestehenden Antisemitismus in der islamisch geprägten Welt bewirkt wurde. Die andere Richtung, vertreten von Michael Kiefer und Bernard Lewis, meint, dass der Antisemitismus in der islamischen Kultur erst als Reaktion auf die Konflikte zwischen Israel und den Arabern aufkam.2 Dieser Beitrag widmet sich der Frage, inwieweit der Antisemitismus in der islamischen Welt Ergebnis externer oder interner Bedingungsfaktoren ist.