Ausgabe Juli 2005

Schulmeister Deutschland

oder: Wie Europa getietmeyert wurde

Die jüngsten Abstimmungsvoten zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden stellen nicht nur die weitere Integration in Frage, sie gefährden auch bisher Erreichtes. Schon werden von unverantwortlichen italienischen Regierungsmitgliedern ernsthaft die Währungsunion und der Euro zur Disposition gestellt. Irgendetwas scheint also falsch zu laufen in der EU. Oder handelt es sich tatsächlich nur um Irritationen, die auf unzureichender Informiertheit der Bürger Europas beruhen und durch entsprechende Werbekampagnen aus der Welt geschaffen werden könnten – während am wirtschaftspolitischen Kern Europas weiterhin nicht gerüttelt werden darf?

Selbst in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der Referenden wird fast ausschließlich auf die Angst der Bevölkerung vor der Dominanz des angelsächsischen Modells und dem grassierenden Neoliberalismus abgestellt. Dagegen werden die entscheidenden wirtschaftspolitischen Konstruktionsfehler der Europäischen Union in der Debatte geflissentlich übergangen. Diese wurzeln tief in der Entstehungsgeschichte der Europäische Währungsunion (EWU) und in der hier angelegten "Germanisierung Europas".

In der Geschichtsschreibung wird häufig behauptet, die EWU wäre ohne den Fall der Berliner Mauer und die folgende Einheit Deutschlands undenkbar gewesen.

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