Franz Müntefering verdient Anerkennung dafür, dass er eine realistische Kapitalismuskritik wieder hoffähig gemacht hat. Gegenüber den bisher vorherrschenden, die Realität verklärenden Leitbegriffen "freie Marktwirtschaft" und "Stärkung der privaten Marktkräfte" werden die realen Triebkräfte der kapitalistischen Privatwirtschaft endlich wieder in den Mittelpunkt gerückt. Müntefering bleibt jedoch nicht bei einer allgemein gehaltenen Kapitalismuskritik stehen. Vielmehr beschreibt er instinktsicher die jüngste, sich abzeichnende Etappe kapitalistischer (Fehl-)Entwicklung: "Großes Geld kauft sich mit kurzfristigem Profitinteresse hier ein und beutet Unternehmen in kurzatmigen Zyklen aus." Die Folge seien Arbeitsplatzvernichtung und ein einschneidender Verlust staatlicher Handlungskompetenz.
Gegeißelt werden vor allem die gigantischen Finanzfonds aus den USA. Sie versuchen die überschüssige Liquidität, die bei Pensionsfonds und reichen Familien lagert, unter Maximierung der Gewinne auf das eingesetzte Kapital weltweit zu platzieren. Bei der hektischen Suche nach maximalen Renditen für dieses vagabundierende Geldkapital fallen die Börsen nach ihrem Zusammenbruch mangels Kurssteigerungspotenzial aus. Die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere sind wegen der historisch niedrigsten Zinssätze völlig unattraktiv.