Ausgabe März 2005

Historischer Kompromiss:

Berlusconi und die Mafia

Seit dem Amtsantritt des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi im Mai 2001 verfolgt die politisch interessierte Öffentlichkeit außerhalb des Landes mit einer Mischung aus Verblüffung, Erschrecken und Unverständnis seine Regierungspraxis. Von vornherein wirkt ja ein Mann nicht unbedingt Vertrauen erweckend, der wegen Bestechung, Bilanzfälschung und illegaler Parteienfinanzierung erstinstanzlich verurteilt wurde, der einen deutschen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament als KZ-Kapo apostrophiert und den Umgang Mussolinis mit seinen politischen Gegnern als eine Form paternalistischer Fürsorge beschreibt. Die beispiellose Machtkonzentration in seinen Händen hat sich während der letzten Jahre immer weiter verstärkt. Neben drei privaten Fernsehsendern kontrolliert der reichste Mann des Landes nun auch die staatliche Rundfunk- und Fernsehanstalt RAI. Regierungskritische Journalisten kommen im italienischen Fernsehen nicht mehr zu Wort. Sondergesetze haben zahlreiche Gerichtsverfahren gegen Berlusconi und seine Mitarbeiter beendet, vor allem durch eine radikale Verkürzung der Verjährungsfristen. Die Legitimität der italienischen Justiz wird von den Regierungsparteien systematisch in Frage gestellt; eine gerade verabschiedete Justizreform hebt die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt faktisch auf.1 Nach wie vor ungeklärt ist die mysteriöse Herkunft von Berlusconis Startkapital in den 70er Jahren.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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