Ganz egal, wie die Fußball-Weltmeisterschaft am 9. Juli ausgegangen sein wird, eines steht heute bereits fest: Geschichtspolitisch bot sie ein beispielloses Spektakel. Schon lange vor dem Anpfiff schien es, als wollten sich große Teile der chattering class in ihrem Bekenntnis zu Deutschland schier überbieten. Nach dem Antritt des angeblich letzten politischen Aufgebots unter Kanzlerin Angela Merkel kam die WM offensichtlich gerade recht, um ein zweites Gründungsfest der Republik zu inszenieren. Was 1954 für die „Bonner Republik“ gewesen, sollte 2006 für die „Berliner Republik“ werden – der Initiationsakt des neuen Deutschland. Die WM als nationales Erweckungserlebnis.
Angestrengt „unverkrampft“ und mit unbedingtem Willen zum fröhlichen Wir – „Wir sind Deutschland“, „Wir Deutschen“ – rief man „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Alles hätte so schön werden sollen – wenn nicht Uwe- Karsten Heye mit seiner Warnung vor „No-go-Areas“ im Osten der Republik kurz vor Anpfiff den Spielverderber gegeben und zeitgleich eine Serie rassistischer Übergriffe stattgefunden hätte.