Ausgabe November 2006

Kollateralschaden Demokratie

Am 22. November 2005 legten die Mitglieder der Regierung Merkel-Müntefering ihre Amtseide ab. Doch schon ein knappes Jahr später wirkt Schwarz-Rot mehr als verbraucht, scheinen sich die beiden Konkurrenten nur noch gegenseitig zu belauern. Während kein Tag vergeht, an dem nicht aus einer der beiden Parteien heftige Attacken gegen den Koalitionspartner gefahren werden, schwindet die Zustimmung der Bevölkerung rasant. Was als konzertierte Aktion der politischen Schwergewichte beider Volksparteien zum „Schutze der Demokratie“ verkauft wurde, erweist sich mehr und mehr als das Gegenteil. Die Republik erlebt eine stetig wachsende Politikabstinenz und einen rasanten Zustimmungsverlust für das demokratische System insgesamt. Umso paradoxer (und alles andere als demokratiefördernd) muss es da anmuten, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert ausgerechnet derzeit darüber nachsinnt, die Wahlperiode von 4 auf 5 Jahre zu verlängern.

Wie hatte Angela Merkel noch im September 2005 prophezeit: „Eine große Koalition ist absoluter Stilstand.“1 Heute scheint der Großteil der Bevölkerung der Merkelschen Prognose zuzustimmen. Dabei kann von Tatenlosigkeit der großen Koalition nicht die Rede sein – weder im Guten noch im Schlechten. Dank eines Investitions- und Wachstumsprogramms von über 25 Mrd.

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