Es ist ein geradezu klassischer Konflikt zwischen Entwicklungsstrategien und Fragen des lokalen wie globalen Umweltschutzes, mit dem sich die linke ecuadorianische Regierung unter Präsident Rafael Correa gegenwärtig konfrontiert sieht: Die größten Erdölreserven Ecuadors, schätzungsweise 850 Mio. Fass Schweröl, befinden sich in einem noch weitgehend unberührten Teil des Amazonasregenwaldes, der Ishpingo- Tambococha-Tibutini heißt und meist nur ITT genannt wird. Diese Abkürzung ist in Ecuador inzwischen in aller Munde, symbolisiert sie doch nicht nur eine Debatte um den Entwicklungsweg, den die populäre linke Regierung einschlagen will, sondern einen vollkommen neuen Vorschlag zum globalen Klima- und Umweltschutz und der damit verknüpften Lasten. Die Kampagne „Amazonia por la Vida“1 schlägt vor, auf die Erdöl-Förderung zu verzichten, wenn Ecuador als Ausgleich aus anderen Quellen mittelfristig ein jährliches Einkommen in Höhe von 350 Mio. US-Dollar bezieht – die Hälfte des aus dem ITT erwarteten Erlösen. Dieser Vorstoß hebt sich auch von regionalen Projekten anderer linker Regierungen des südamerikanischen Kontinents ab, da insbesondere die Industriestaaten aufgefordert werden, zwar für das Erdöl Ecuadors zu zahlen, allerdings dafür, dass es unter der Erde bleibt.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.