Die Vereinigten Staaten vor der Wahl
Unser kürzlich verstorbener Nationalprophet, Norman Mailer, hat einmal gesagt, der Charakter des Präsidenten bestimme die gesamte Kultur des Landes. Das trifft gewiss zu, aber umgekehrt spiegeln sich in der Auswahl des jeweiligen Präsidenten auch die Tiefenschichten der nationalen Psyche. Die außerordentliche Personalisierung unserer Präsidentschaftswahlkämpfe, die Aufmerksamkeit, die Charakter und Lebensgeschichte der Kandidatinnen und Kandidaten und ihren Familien gezollt wird, das alles läuft nicht selten auf eine Flucht vor der ernsthaften politischen Auseinandersetzung hinaus – wie insbesondere die jüngste Vergangenheit gezeigt hat.
Als der sowohl intellektuell wie moralisch schwache augenblickliche Amtsinhaber gegen zwei weitaus seriösere Kandidaten – erst Al Gore und dann John Kerry – kämpfte, rühmten ihn prominente Kommentatoren als einen Kerl, mit dem man Bier trinken gehen könne. In der Tat: George W. Bush hatte zwar die Elite-Uni Yale besucht, stand aber nicht in dem Verdacht, dort viel Zeit in der Bibliothek verbracht zu haben. Gore und Kerry hingegen verfügten über die beunruhigende Fähigkeit, mit komplexen Begriffen und Sätzen umzugehen.