Ausgabe November 2008

Die Rückkehr des Staates

Anfang 2007 trat in der EU unter dem Namen „Basel II“ eine Bankenreform in Kraft, die allseits dafür gepriesen wurde, dass sie die direkte staatliche Bankenaufsicht zurückdrängt, die Banken in mehr „Eigenverantwortung“ entlässt und auf die „Marktdisziplin“ statt rechtlicher Vorschriften als Sicherheit gegen Fehlentwicklungen vertraut. Banken ist es seitdem erlaubt, die Risiken der von ihnen vergebenen Kredite weitgehend durch „interne Risikomodelle“ selbst festzulegen und entsprechendes Eigenkapital als Reserve für den Fall des Kreditausfalls zurückzulegen. Diese Teilprivatisierung der Bankenaufsicht hat die Hemmschwelle der Banken gesenkt und ihre Kreditvergabe an Finanzinvestoren und Spekulanten aller Art massiv beflügelt. Gleichzeitig haben sie sich zunehmend selbst in spekulative Geschäfte eingelassen. Das Ergebnis ist zurzeit zu besichtigen. Die Spekulanten haben sich verzockt, die Banken geraten in Schwierigkeiten, der Crash ist da.

In dieser Not ist der Staat wieder willkommen. Die Unverfrorenheit, mit der die Verursacher der Krise jetzt staatliche Subventionen zur „Rettung des Finanzsystems“ fordern, ist ebenso atemberaubend wie die staatliche Bereitschaft, diese Forderung zu erfüllen. Dafür stehen plötzlich wie aus dem Hut gezauberte Bürgschaften bereit – allein mit Blick auf die Hypo Real Estate handelt es sich um 50 Mrd.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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