Ausgabe Oktober 2009

Anschluss als Revolution

Ein Rückblick auf die deutsche Vereinigung

Ob das nicht „irgendwie wahnsinnig“ sei, dass sie – eine Ostdeutsche – nur zehn Jahre nach der Wiedervereinigung Helmut Kohl als Chef der Christlich-Demokratischen Union abgelöst habe, fragte im Herbst 2000 Arno Luik, einer der besten Interviewpartner in der deutschen Presse, Angela Merkel. – Ach, das sei eine westdeutsche Sicht, antwortete sie: „Aus Ost-Sicht ist das viel weniger beachtlich.“ Da sei es weitaus eher „Wahnsinn, dass der Kalte Krieg überwunden, dass die Mauer gefallen ist!“

„Wahnsinn“ wurde für das Jahr nach dem 9. November 1989 zu einem alltäglichen Schlüsselwort, das unsere nun ungehinderten Wege in den je anderen Teil Deutschlands begleitete: Niemand hatte ja den Mauerfall vorhergesehen, niemand hatte ihn geplant – auch die ostdeutsche Öffnung der Grenzübergänge in der Berliner Mauer, mit der Antwort des Parteifunktionärs Schabowski auf eine Journalistenfrage, wirkte wie ein Betriebsunfall.

Erstaunlich bleibt übrigens noch heute die undramatische Alltäglichkeit, mit der Angela Merkel – die eher unpolitische Naturwissenschaftlerin aus protestantischem Pfarrershause – diesen historischen Moment erinnert. Auf die Frage, wie sie den Mauerfall erlebt habe, antwortet die künftige Bundeskanzlerin: „Wunderbar. Ich war in der Sauna.

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema