Ausgabe Juni 2010

Das tägliche Brot der Demokratie

Was Wissenschaft, Publizistik und Politik miteinander zu tun haben

Bild: Phillip Veit

Es ist heutzutage ziemlich ungewöhnlich, dass ein politischer Journalist Professor wird. Für gewöhnlich haben die beiden Berufe heute wenig miteinander zu tun. Der Journalist und der Professor (wenn es sich nicht gerade um einen Professor der Kommunikationswissenschaft handelt) leben in sehr verschiedenen Welten: Presse ist Presse, Universität ist Universität. Das war in den Anfangszeiten der deutschen Demokratie anders. Damals, in den unruhigen und zornigen Jahren des 19. Jahrhunderts, im Vormärz und in den Jahren der bürgerlichen Revolution von 1848/49, war ein Professor, ein Rechtsprofessor zumal, nicht allein dies; er war zugleich Journalist, Redakteur, Publizist. Er war ein politischer Professor.

Damals, als fast jeden Tag eine neue Zeitung gegründet (und wieder verboten) wurde, waren Hochschullehrer zugleich Lehrer der Nation, sie waren politisch-publizistische Volkslehrer für ein schnell wachsendes bürgerliches Publikum. Und wenn sie als Hochschullehrer, weil politisch unbotmäßig (und dazu gehörte nicht viel), zwangspensioniert wurden, waren sie publizistisch noch aktiver als vorher.

Damals: Das war die Zeit, in der an die Stelle einer fest gefügten Ständeordnung die Idee einer freien, bürgerlichen Gesellschaft trat.

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