Ausgabe Mai 2010

Wie ticken die Reichen?

Reichtum als Determinante sozialer Ungleichheit stand lange im Schatten einer elaborierten sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Armutsforschung. Voluminöse Handbücher über „Armut und soziale Ausgrenzung“ verweisen auf die Allgegenwärtigkeit von Armut als soziales Massenphänomen in einem reichen Land.[1] Und daneben gibt es den täglichen Deutungskampf über die unterstellte „spätrömische Dekadenz“ der Armen, über wissenschaftliche „Armutsbemessungsgrenzen“ oder belastbare Zahlen zur „relativen Armut“, von der ein Viertel bis ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland betroffen ist. „Wie eine Gesellschaft ihre Armen sieht und behandelt, ist der Prüfstein dafür, ob sie als human, sozial und demokratisch gelten kann.“ An dieser Vorgabe misst etwa Christoph Butterwegge die deutsche Armuts- und Reichtumspolitik, die nicht losgelöst voneinander zu betrachten seien. Ihm zufolge sind Armut und Reichtum interessengeleitete Begriffe, die zeitgenössischen Wahrnehmungen und Kräfteverhältnissen unterliegen.[2]

Daher kann die von Guido Westerwelle losgetretene Diskussion über Hartz IV nicht nur als grandioses Ablenkungsmanöver vom Versagen des Finanz- und Managerkapitalismus gedeutet werden, sondern auch als wachsende Unsicherheit deutscher „Leistungseliten“.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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Globales Elend und die Diktatur der Superreichen

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Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen.

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.