Ausgabe Dezember 2011

Neue Chancen für die NATO?

In NATO-Kreisen hat der Erfolg der Organisation beim Sturz des Gadhafi-Regimes in Libyen helle Begeisterung ausgelöst. Diese Reaktion demonstriert, wie heftig die NATO immer noch das Bedürfnis plagt, ihren Fortbestand zu rechtfertigen.

Der Sieg untermauert den Anspruch, den eine neue NATO-Doktrin erhebt: Das Bündnis trage Völkern und Bevölkerungsgruppen gegenüber, die von ihren eigenen tyrannischen Regimes bedroht sind, eine „Schutzverantwortung“. (Politisch-militärischen Spezialisten für bizarre Abkürzungen fiel zu dieser „responsibility to protect“ das Kürzel „R2P“ ein.) Gegenwärtig hat man dabei den Fall Syrien im Kopf, während zwei weitere Fälle, der Jemen und Bahrein, noch im Wartestand verbleiben. In beiden Fällen bedürfte die Bevölkerung dringend des Schutzes, doch gibt es hohe politische Hürden, da beide Länder von amerikanischen Protegés regiert werden.

Für NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen besteht diese neue Mission des Bündnisses darin, „jene aufzumuntern, die sich nach der Freiheit sehnen“, indem es sich (wenn möglich) ihrer „gerechten Sache“ annimmt. Mit der neuen NATO-Doktrin erhebt der Westen einmal mehr den Anspruch, er habe das moralische Recht (oder die moralische Pflicht) in aller Welt zu intervenieren, um Übelstände zu beheben.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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