Ausgabe Dezember 2011

Neue Chancen für die NATO?

In NATO-Kreisen hat der Erfolg der Organisation beim Sturz des Gadhafi-Regimes in Libyen helle Begeisterung ausgelöst. Diese Reaktion demonstriert, wie heftig die NATO immer noch das Bedürfnis plagt, ihren Fortbestand zu rechtfertigen.

Der Sieg untermauert den Anspruch, den eine neue NATO-Doktrin erhebt: Das Bündnis trage Völkern und Bevölkerungsgruppen gegenüber, die von ihren eigenen tyrannischen Regimes bedroht sind, eine „Schutzverantwortung“. (Politisch-militärischen Spezialisten für bizarre Abkürzungen fiel zu dieser „responsibility to protect“ das Kürzel „R2P“ ein.) Gegenwärtig hat man dabei den Fall Syrien im Kopf, während zwei weitere Fälle, der Jemen und Bahrein, noch im Wartestand verbleiben. In beiden Fällen bedürfte die Bevölkerung dringend des Schutzes, doch gibt es hohe politische Hürden, da beide Länder von amerikanischen Protegés regiert werden.

Für NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen besteht diese neue Mission des Bündnisses darin, „jene aufzumuntern, die sich nach der Freiheit sehnen“, indem es sich (wenn möglich) ihrer „gerechten Sache“ annimmt. Mit der neuen NATO-Doktrin erhebt der Westen einmal mehr den Anspruch, er habe das moralische Recht (oder die moralische Pflicht) in aller Welt zu intervenieren, um Übelstände zu beheben.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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