Ausgabe Februar 2011

Warum "Das Amt" missfällt

 

In den „Blättern“ 12/2010 analysierten Norbert Frei und Annette Weinke, Mitverfasser von „Das Amt“, die beginnende inhaltliche Diskussion über die Studie. Jetzt sehen sie sich mit dem Vorwurf der Auftragsarbeit konfrontiert – ausgerechnet durch den Historiker Hans Mommsen.

 

Hans Mommsen, der Doyen deutscher Zeitgeschichte, hat kaum je so glänzend formuliert, was ihn umtreibt, als jetzt in seinem Kampf gegen „Das Amt“, diese Untersuchung über das Auswärtige Amt unter Hitler und danach. Mit dieser war nicht er beauftragt worden – kein Wunder, dass alles falsch lief. Und Mommsen kann sagen, warum es so kommen musste: „Die Preisgabe einer genetischen Perspektive, die die praktische Implementierung des Holocaust als Ergebnis eines sich schrittweise vollziehenden Prozesses begreift, verschließt die Sicht auf ein Sich-Herausmendeln der ‚Endlösung‘ im Halbdunkel öffentlicher Geheimhaltung.“[1]

Kurz, der Holocaust war ein Prozess, der sich irgendwie, aber streng wissenschaftlich für jeden hörbar und sichtbar (also öffentlich) sowie unhörbar und unsichtbar (also geheim gehalten) aus der deutschen Geschichte herausmendelte, sich also quasi von selbst vollzog. Die Vernichtung von Millionen Juden, die „Endlösung“, hat sich aus diesem Geschehen nur ergeben.

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (9.50€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Kein »Lernen aus der Geschichte«

von Alexandra Klei, Annika Wienert

Wofür steht der 8. Mai 1945 in der deutschen Erinnerungskultur? Bereits zum 70. und zum 75. Jahrestags beschäftigten wir uns ausführlich mit dieser Frage. Ist dem jetzt, am 80. Jahrestag, etwas Neues hinzuzufügen?

Der Nahostkonflikt und die Kunst: Wider die Logik des Boykotts

von Saba-Nur Cheema, Meron Mendel

Spätestens seit dem 7. Oktober 2023, dem andauernden Krieg in Gaza und Libanon sind die Fronten verhärteter als je zuvor. Es scheint, als ob es nur eine binäre Wahl zwischen zwei Lagern gäbe. Und in jedem Lager sind es die Radikalen, die den Ton angeben.

Vom KZ zum Luxushotel: Die Banalisierung der Gedenkkultur

von Olga Bubich

„Die Zukunft wird uns nicht für das Vergessen verurteilen, sondern dafür, dass wir uns nur allzu gut erinnern und dennoch nicht im Einklang mit diesen Erinnerungen handeln“, schrieb der deutsche Kulturkritiker Andreas Huyssen Mitte der 1990er Jahre. Dreißig Jahre später sind seine Worte immer noch aktuell, aber das Versprechen des „Nie wieder“ droht weitgehend unerfüllt zu bleiben.