Ausgabe Juli 2011

Ohne Strategie und Leitbild: Die neue deutsche Berufsarmee

Nachdem nun das große Aufatmen über den Ministerwechsel im Verteidigungsministerium vorüber ist und der neue Amtschef seine Arbeit aufgenommen hat, ist es an der Zeit, eine Eröffnungsbilanz der Ära de Maizière vorzulegen. Der Minister hat gepunktet mit seiner nüchternen Bestandsaufnahme, seinem Auftreten und seinen ersten Vorlagen. Gleichwohl sollte man sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Modellversuch ersten Ranges abläuft, dessen eigentliche Versuchsleiterin an der Spitze der Exekutive sitzt, aber unbeteiligt bleibt.

Die Versuchsprämisse lautet: Sicherheitspolitische Positionen materialisieren sich in den Streitkräften; sie werden sozusagen in Strukturen gegossen und ins Gelände geschrieben. Die aktuelle Versuchsanordnung dagegen lässt sich etwa so beschreiben: Was geschieht, wenn die Prämissen unklar sind? Wenn die Reform also, um Ulrike Guérot zu zitieren, in einem „strategischen Vakuum“ stattfindet, weil sich Deutschland über seine sicherheitspolitische Rolle in Europa und der Welt gar nicht im Klaren ist?[1] Die Folgen lassen sich auch im – bisher erkennbaren – Design der nun angeschobenen „Neuausrichtung“ betrachten. Sie betreffen zum einen die strategische Ziel- und Willensklarheit in der Außen- und Sicherheitspolitik, zum anderen die staats- und gesellschaftspolitische Komponente des Reformprojekts.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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