Ausgabe Juni 2013

Moral weiß-blau

Was waren das noch für Zeiten: Geschlagene 20 Jahre ist es jetzt her, dass Theo Waigel – damals nur Bundesfinanzminister und noch nicht „Mister Euro“ – nach der Amigo-Affäre und dem Abgang von Max Streibl bayrischer Ministerpräsident werden wollte. Doch quelle malheur: Prompt wurde bekannt, dass Waigel eine Liaison mit der ehemaligen Spitzenskifahrerin Irene Epple unterhielt, obwohl er damals noch mit seiner ersten Frau verheiratet war. Was folgte, ist bekannt: Es ging ein Aufschrei durch die CSU und der trickreiche Edmund Stoiber wurde Streibls Nachfolger.

Heute hat Bayern wieder eine Amigo-Affäre – über Jahre wurden Familienangehörige von Landtagsabgeordneten als Angestellte geführt –, und doch ist alles anders. Theo Waigel höchstpersönlich wird von Horst Seehofer zur „hohen Autorität“, ja zur „Ikone“ und „moralischen Instanz“ der CSU ausgerufen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass inzwischen bayrische Bundesminister gerne einmal Berliner Zweitfamilien samt eigenem Nachwuchs unterhalten, was aber in der Christlich Sozialen Union von heute keineswegs spätere Ministerpräsidentenehren verunmöglicht. Nein, nein, soviel ethischer Fortschritt muss schon sein.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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