Ausgabe Juni 2015

Dialektik der Autonomie

Elf Gebote gegen den Konformismus

Moderne, demokratische und freiheitlich verfasste Gesellschaften sind ohne die Vorstellung, dass Menschen autonom entscheidungsfähig sind, nicht denkbar. Gleichzeitig können wir zivilisatorische Standards, die einmal erreicht worden sind, nicht einfach als unveränderlich voraussetzen. Bis in die jüngste Vergangenheit finden sich immer wieder Prozesse des Zivilisationsverlustes, die auch die gewonnenen Autonomie- und Freiheitsspielräume massiv einschränken können. Und: Autonomie und Freiheit erscheinen nicht allen Menschen unter allen Bedingungen als willkommen; sie können auch als Belastung und Zumutung wahrgenommen werden, da sie Entscheidungszwänge auferlegen, denen viele nur allzu gern entkommen würden.

Das Maß an Autonomie, Freiheit und auch Sicherheit, das die Mitglieder moderner demokratischer Rechtsstaaten genießen, ist historisch nicht nur einzigartig, sondern auch geradezu unwahrscheinlich. Von den 200 000 Jahren Geschichte des Homo sapiens sind es, die athenische Demokratie eingerechnet, insgesamt bloß 400 bis 500 Jahre, in denen Demokratien geherrscht haben, und auch das jeweils nur in einem kleinen Teil der Welt.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Gegen den Digitalzwang: Das Recht auf analoges Leben

von Leena Simon, Rena Tangens

In vielen Saunen gilt das Prinzip digital detox – digitale Entgiftung. Elektronische Geräte wie Smartphones, Tablets oder Computer sind dort nicht erlaubt, die Menschen sollen sich von deren übermäßiger Nutzung erholen. Was in den meisten Saunen normal ist, wird in der Außenwelt jedoch immer schwieriger.

Der maskierte Raub

von Naomi Klein

In der vielschichtigen Debatte über die schnelle Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) gibt es eine vergleichsweise obskure Auseinandersetzung um die „KI-Halluzinationen“. Auf diesen Begriff haben sich die Architekten und Förderer der generativen KI geeinigt, um Antworten von Chatbots zu bezeichnen, die völlig erfunden oder einfach falsch sind.